Daniel Anderson

Daniel Anderson

Daniel Anderson

Berlin / Germany

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Art, Movies, Writing, to be a jewish men today in europe,

Born in the east, minded in the hole world, located in Berlin, home only by myself! Studies directing at film college Babelsberg. Working as a poet, writer, director for tv, theater and advertising, music clips etc. To be jewish means to me to be open minded for the spirit of all mankind, to have the faith of our history, to feel still the pain of my relatives and to know that my religion is a gift.


NACHDENKEN ÜBER AHASVER (3)

ANTWORTMASCHINE AHASVER

1.
Die Fragen sind verbraucht wie die Tage,
nur Antworten wandern noch hin und her.
Diese Spuren verwehen: ich trage
jede Last der Erde nur allzu schwer.

Sie drückt die Füße in den weissen Staub,
der Nacken krumm geht unter diesem Joch,
die Stürme der Wut machen mich halb taub,
Flehen und Beten hält die Sinne hoch.

2.
Aus Jerusalem sollte ich kommen,
verflucht bis an das Ende jeder Zeit.
Die Wahrheit ist, ich bin aus Überall,
geboren im Zorn, gewachsen im Hass.

Sie sahen mich in allem und jedem,
in jedem Flehen um die Erlösung,
sie glaubten, ich bäte nur noch darum,
und Furcht stand ihnen in dem kleinen Geist.

3.
Ich wurde geschmäht, geplündert und
geprügelt, gescholten und verjagt,
wie einen verdreckten und lahmen Hund
ließen sie mich sterben, wie vorausgesagt.

Doch es brachte ihnen keinen Frieden,
mir nicht mehr, denn das Sterben ist zu leicht,
bei ‘Asche zu Asche’ ist es geblieben,
mehr haben sie niemals wieder erreicht.

4.
Und so gehe ich noch immer auf der Welt,
bin in jedem von uns wach und stark und schön.
Kämpf nicht mit mir, Schwester, nimm mich an,
Bruder, leg mich in dich wie einen Schatz.

Solange dein Atem geht von einem Ende
zum nächsten, solange dein Blick
sich nicht trübt, solange halte mich
in dir und ich lege dich in meine Hände.

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Nachdenken über Ahasver (2)

Das Zimmer meiner Urgroßmutter war ein “geschlossenes Haus” – niemand hatte Zutritt und auch sie verlies es nur selten. Ihre Wanderung schien zu Ende zu sein, ihr Denken war ebenso eingeschlossen wie ihr Leib und scheinbar nichts konnte die Zitadelle aufbrechen, die Mauern niederreißen.

Als Kind, dessen Gedanken beginnen, sich selbständig und unabhängig von der Umgebung zu machen, gelang es mir einmal zu ihr vorzudringen. Ihr Zimmer schien das eines Messi zu sein, Kisten und Kartons stapelten sich bis unter die Decke, ein schmaler “Trampelpfad” führte durch das Chaos am Bett vorbei bis zum Fenster, wo eine Menora stand.
Ich entdeckte, dass das scheinbare Durcheinander gar keins war, sondern alles tatsächlich eine wohl durchdachte Ordnung hatte – meine Großmutter hatte einen kompletten Hausstand in ihrem Zimmer eingelagert: Geschirr, Bettwäsche, Werkzeuge, Papiere – alles war geordnet und nach Wichtigkeit in die Kisten und Kartons verpackt. Die Beschriftung ließ sie jedes Teil, falls es irgendwann gebraucht werden sollte, sehr schnell finden. Meine Urgroßmutter war bereit, jederzeit wäre sie in der Lage gewesen, aufzubrechen und irgendwo, ja, wo eigentlich, neu anzufangen. Mir wurde bewusst, das sie niemals aufgehört hatte, dass ihre Wanderung niemals zu Ende gegangen war, sie nur rastete. Das Bild – meine Urgroßmutter steht am Fenster und zündet, als es langsam dunkler draußen wird, die Kerzen der Menorca an, und ich frage sie, ob sie tatsächlich weit weggehen will irgendwann. Sie schaut auf mich herab und sehr beiläufig antwortet sie mit einer Gegenfrage: “Weit weg von wo.”

Niemals wieder ist mir so bewusst geworden, dass die Heimatlosigkeit und parallel dazu die Sehnsucht nach Heimat, tatsächlich das ruhelose Wandern, wie es Ahasver bestimmt war, so sehr mit unserem Volk verknüpft ist, ja, es eine psychosoziale Komponente unseres Seins darstellt. Sie ist angelegt in unseren Gebeten, in den Regeln, nach denen wir, ohne nach der Richtigkeit dieser Regeln zu fragen, selbstverständlich leben – in der Diaspora und “ba ha aretz”, wir alle nehmen es hin und versuchen uns einzurichten – für den Moment, egal, wie lange er andauern mag. Esoterische Erklärungsversuche greifen ins Leere und auch die schöne Formulierung – “Heimat finde ich nur in mir” – gibt nur unzureichend wieder, was das Wandern, die Diaspora für uns bedeutet.

Stellen wir nicht unseren Alltag immer in Frage, wenn wir dieser Sehnsucht und dieser Rastlosigkeit latent nachgeben? Sind wir alle Ahasver, auch, wenn wir ‘angekommen’ sind, uns eingerichtet haben in einer Fremde? Welches Gewissen plagt uns, uns nicht auf die Sozialisation einzulassen, die wir doch irgendwie gewählt haben, wir uns aber in unterschiedlichen Ausprägungsgraden weigern letztendlicher, absoluter Teil davon zu sein? Wir übernehmen vielleicht gerade daher so gern gesellschaftliche Verantwortung, weil wir stets einen gewissen Anteil an Distanz bewahren, unser Bewusstsein eben nicht vom sozialen Sein realiter bestimmt wird?

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NACHDENKEN ÜBER AHASVER (1)

Der Mythos, der durch seine bloße Existenz seit 2000 Jahren für Inspiration sorgt – gute manchmal, und oft auch schlechte: die Ausgeburt kranker Hirne sorgte für “Der ewige Jude”, ein Film, der im sogenannten ‘Dritten Reich’ den Holocaust propagandistisch vorbereiten sollte und in dem der ‘ewig wandernde Jude’ mit einer Schar Ratten verglichen wird. Im großartigen Roman Stefan Heyms wird die mysthische Figur des Ahasver zum Vehikel, die Zeiten von Diktatur – in wessen Namen auch immer dort Tyrannei stattfindet – zu geißeln. Ahasver ist Gegenstand von Fresken, Bildern, Predigten christlicher Priester, Vorlage für Opern und Forschungsobjekt von Dissertationen der Religionswissenschaft.

In den Büchern ‘Esra’, ‘Daniel’ und ‘Esther’ taucht Ahasver auf und in einem der sogenannten Apokryphen – das Buch ‘Tobit’ (Tobias) wird auf die Figur Bezug genommen. Das, womit wir heute allerdings den Stoff, den Namen “Ahasverus” verbinden ist geprägt von der Nazipropaganda – zu unrecht.

Hat sich nicht tatsächlich dieses Schicksal erfüllt, ein rastlos durch die Welt streifender Mensch zu sein?
Sind wir in der Diaspora nicht alle die Nachkommen von Ahasver? Und nicht nur für die Nachgeborenen scheint das zuzutreffen, sondern auch für die Vorfahren.
Ist “Ahasver” nicht einfach eine Allegorie auf dieses Schicksal, angefangen vom ‘Irrweg’ durch den Sinai, weiter über die Wanderung der Essener und schließlich die bis heute anhaltende Diaspora? Und ist es nicht eine unserer sozialhistorischen Wurzeln, Wanderer, Nomaden zu sein?

Manchmal mutet es in einer immer globalisierteren Welt anachronistisch an, wenn der Ruf immer wieder in uns klingt, ‘nach Hause’ zu kommen, also die Wanderschaft zu beenden. Und trotzdem hören wir diesen Ruf und er ist allgegenwärtig – ob wir wollen oder nicht. Die Bewusstheit für dieses ‘ewigen Rufen’ scheint mir aber nicht nur eine Prüfung zu sein, sondern immer auch eine ‘Gnade’. Wir dürfen damit immer die ‘Heimat’ verbinden und tragen sie dadurch stets in uns, wo auch immer wir uns gerade befinden.

Und nicht nur in unserem Bewusstsein, sondern auch in dem, unserer Freunde, Kollegen und Bekannten ist es wie eingebrannt und gebiert manchmal auch unterschwelligen Antisemitismus. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich plötzlich in eine Position der Rechtfertigungsnot versetzt werde, wenn die israelische Regierung irgendwelche für die Welt und oft auch für mich unverständlichen Entscheidungen trifft. Warum muss ich mich rechtfertigen, wenn Moshe Katzav wegen sexueller Belästigung angeprangert wird?
“Was ist denn mit deinem Präsidenten los?”
Diese Fragen schließen mich aus dieser bundesdeutschen Gesellschaft gedanklich aus, denn es ist eben nicht mein Präsident, sondern der Präsident Israels.

In Zeiten einer gesellschaftlichen Dunkelheit, in Zeiten der persönlichen Verwirrnis, des Kummers und der Trauer wie in Zeiten der Freude ist die fast schon ‘genetische’ Sehnsucht nach Wanderung präsent.

Welche Bedeutung hat das für unser Zusammenleben in Deutschland? Meiner Meinung nach gibt es mehrere Aspekte dieser Frage: sozialpsychologische, politische und religiöse.

(wird forgesetzt)

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