Hallo, liebe Leser, was soll das bitte, was ist das für ein komisches Ritual, dieses Tefillin Legen?

Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang legt man die Gebetsriemen – die Tefillin – an. Es sind zwei Lederriemen, an denen je eine Kapsel in Würfelform befestigt ist, in der sich Texte aus der Torah befinden, die besagen, dass man das Glaubensbekenntnis, das `Schma`, um die Hand und den Arm binden – und auch als Zeichen zwischen den Augen tragen soll.

Wie das nun genau zu erfolgen hat, ob mit Lederrimen und Holzkapseln, oder als Tatoo, oder mit Schnüren aus Leinen oder Bast oder sonstwie, steht nicht in der Torah. Im Laufe der Zeit hat sich aber ein genau beschriebenes Verfahren entwickelt, dass von allen tefillinlegenden jüdischen Männern weltweit gleich durchgeführt wird und zwar Jeden Tag, außer Schabbes und Feiertags, meist zur Zeit des Morgengebetes, Schacharit. Die Israelische Armee stellt in der Feldausrüstung sogar eine spezielle Tefillindose zur Verfügung, die man sozusagen gleich neben der Gasmaske und den Reservemagaszinen am Gürtel trägt.

Die Riemen werden um den ungeschickten Arm, also bei Rechtshändern links angelegt. Um den Kopf kommt ein ringförmiger Riemen. So steht man denn gebondaged, religiiert, gezügelt und gebunden da, wie ein Ross bei der Arbeit und betet sein Zeug herunter, mit oder ohne Sorgfalt oder Inbrunst,  und wickelt sich dann wieder frei, verpackt das Zaumzeug und beendet das Morgenritual. Eigentlich soll man gemäß der Orthodoxie aber den ganzen Tag lang die Tefillin anbehalten. Manche Fromme tun das auch, wenn ihre Lebensführung das gestattet.

Was soll das alles aber? Wie kann man sich das erklären? Warum macht man das?

Die übliche Erlärung lautet: ´Dadurch soll man an G´tt und die Gebote denken und mit Herz und Kopf bei der Sache sein, also das Bündnis und die Gesetze achten und ehren.`

Wem so eine banale Erklärung für eine so sonderbare und Komplexe Sache wie dem Tefillinlegen reicht, der sei seelig und frage nicht weiter. Ich aber neige zum Widerspruch, zur Subversion, zum Fragen, zur Penetranz und zum Märchen und gebe mich nicht zufrieden mit so einem oberflächlichen, klischeehaften und spirituell umnebelten Erklärungsdummy. Bei mir muss alles was mit meiner Religion zu tun hat schon Hand und Fuß haben und wenigstens Vewunderung, Erstaunen und Faszination hervorrufen wenn es um die Begründung ritueller und kultischer Handlungen geht. Auch finde ich es sehr angenehm, wenn die Äußerung meiner eigenen Theorien Widerspruch, Empörung und Aufruhr bewirkt.

Hier also die wahre und sehr plausible Erklärung für das Tefillinlegen:

Die Tefillin sind eine Erinnerung an eine Kampfausrüstung. So zu sehen auf antiken griechischen Vasen und in Asterixheften, besonders: ´Asterix als Gladiator` und ´Asterix als Legionär`. Der linke, verteidigende Arm wird stramm mit einem dicken Lederriemen umgürtet, bis einschließlich der schildtragenden Hand. Auf dem Oberarm sitzt noch ein kleiner Schild aus- seltener- Blech , sicher meist aus Leder oder Holz. Der kopf ist ebenso Lederumgürtet und trägt zwischen den Augen bis hin zur Nase eine schützende Lasche zum Schutz vor Verletzungen durch Hiebe. Das ist nicht so gut wie ein Helm, aber immerhin.

Material wie Metall war in der Wüste selten und kostbar und Leder stand einem Hirtenvolk immer zur Verfügung. Die ganze Wickelangelegenheit mit Riemen aus Leder passt zu einer im Aufbau befindlichen Armee eines umherziehenden Hirtenvolkes wie die Faust auf´s Auge. Jeder Mann der Israeliten war ein Soldat und legte am Tagesbeginn seine Kampfausrüstung an. Diese Lederriemen lassen ein Arbeiten und freie Beweglichkeit zu und bieten doch im Kampfe einen nicht zu verachtenden Schutz. Und Kämpfe kamen sicher häufig vor beim Durchwandern fremder Territorien mit den Viehherden. Deshalb wird am Sabbat und an Feiertagen nicht Tefillin gelegt, denn Tefillinlegen gehört in den Bereich der Arbeit.

Wandern, sich bewegen und die Bereitschaft zur Verteidigung sind das alltägliche Brot eines Hirtenvolkes und bis heute ist es nicht anders. Wie zur Erinnerung an unsere Herkunft und die  Zeit im Sinai, als wir zu einer Nation wurden, müssen wir heute jederzeit unsere Kampfriemen tragen und daran denken wer wir sind. Wir sind Soldaten. Alle. Man mag uns nicht. Wir sind Umherziehende, Nomaden, Hirten, Kämpfer, laufen den ganzen Tag in martialischem Outfit herum und halten unser Territorium verbissen und unverdrossen besetzt. Wer es uns nehmen wil, muss mit uns kampfen. So ist es heute. Vielleicht wirds ja mal leichter, friedlicher, ruhiger, spiritueller. Dann setzen wir uns auf Kissen nieder und meditieren ´ne Runde oder machen Yoga oder gehen auf Botoxparties. Vorläufig aber, können jüdische Männer und Frauen nicht vergessen, dass sie ursprüglich Viehtreiber und Soldaten waren. Mich jedenfalls, erinnert das Tefillinlegen an jedem Werktag daran und außerdem ist es ein Gebot und eine Tradition.

Wenn mich nun einer fragt, was ich denn so den ganzen Tag lang mache, dann lenke ich von meiner mir eingeborenen Faulheit und meinem täglichen Müßiggang ab, indem ich stolz verkünde: ” Erstmal leg´ ich Tefillin, außer Schabbes und Jontef, und dann seh ich weiter.” Und während mein Gegenüber anerkennend nickt oder verwundert schaut, gewinne ich Zeit für einen geordneten Rückzug mit möglichst geringen Verlusten. Tefillin sind ganz klar etwas militärisches.

So verabschiede ich mich gezäumt und gebunden in Sitte und Brauch und blase laut das übliche Törrööhhh, wie damals vor den Mauern dieser Stadt, Jerischooohhh, glaube ich hieß sie, und sage tschüss und bis bald     euer

Benjamin Perach Katan

P:s. ´Brith Milah` heißt das nächste Thema. (Ungekürzte Ausgabe.)